Hannah-Arendt Cup 2023 – Ein kleiner Spielbericht

von Johannes Winters

 

 

Hannah-Arendt Cup 2023 – Ein kleiner Spielbericht

Du spielst mir jetzt bitte einen sauberen Flachpass mit der Innenseite in den Fuß! Dann kommst Du mir entgegen, ich lege Dir den Ball auf deinen starken Fuß auf und du schließt mit dem Spann sofort ab!“.

Erwartungsvoll stehe mit dem Rücken 5 Meter vor dem aufgemalten Tor der Sporthalle. Die nächsten 10 Sekunden fühlen sich an wie eine halbe Ewigkeit. Leicht erschrocken sehe ich dabei zu wie der Ball in Zeitlupe circa 3 Meter links von mir gegen die Hallenbande kullert. In diesem Moment stelle ich mir vor, wie mein damaliger E-Jugend Trainer Herr Krause auf diesen “Pass“ reagiert hätte. Er wäre laut geworden, sehr laut. Es wären auch bestimmt Tränen geflossen, vielleicht nicht direkt auf dem Platz, aber spätestens nach dem Training in der Kabine. Heute stehe ich aber nicht auf dem Trainingsplatz von Fortuna Düsseldorf, sondern in der kleinen Sporthalle des Hannah-Arendt-Gymnasiums auf der Lindenstraße. Heute bin ich auch kein Spieler mehr, sondern Trainer der Fußball AG der Josefschule Krefeld.

Ich schaue nach rechts zu meinem Kollegen Herrn Roumeliotis, der beobachtend auf der Bank sitzt. Unsere Blicke treffen sich. Wir beide können uns in diesem Moment ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

Ungefähr ein halbes Jahr später warte ich mit 10 aufgeregten Kindern und meinem werten Kollegen vor der großen Sporthalle des Hannah-Arendt-Gymnasiums auf der Dionysiusstraße darauf, dass sich die Türen öffnen und der Hannah-Arendt Cup 23 endlich beginnt. Ich bin nervös, da ich nicht genau weiß, was mich und das Team heute erwartet.

Im Vergleich zum letzten Jahr waren die Voraussetzungen alles andere als optimal. Während damals zwölf von fünfzehn Kindern bereits Vereinserfahrung hatten, sind es heute lediglich vier. Auch die Trainingsbedingungen sind dieses Jahr anders. Letztes Jahr durften wir in der sehr gut ausgestatteten Halle auf der Scharfstraße trainieren, mit richtigen Toren, Markierungen, die eines Fußballfelds würdig sind und einer mit der heutigen Spielstätte vergleichbaren Größe. In diesem Jahr müssen wir uns mit der Halle auf der Lindenstraße begnügen, die in etwa nur ein Drittel so groß ist, keine richtigen Tore hat und in der unsere beiden Torhüter nur erahnen können, in welchem Bereich vor dem “Tor“ sie den Ball noch in die Hand nehmen dürfen.

Heute sollte uns das aber alles egal sein. Nachdem in den letzten Jahren sowohl der Sparda Cup als auch alle anderen Turniere abgesagt wurden, waren wir alle heilfroh, dass wir endlich die Möglichkeit bekommen sollten, uns mit anderen Teams zu messen. Angeführt von Herrn Roumeliotis betreten wir gegen 13 Uhr voller Vorfreude die Umkleidekabine. Grün-schwarze Trikots werden verteilt und ich fühlte mich an meinen ersten Fußballverein erinnert, Polizei-Sport-Verein Düsseldorf. Auch damals waren unsere Trikots grün-schwarz. Ein gutes Omen?

Nachdem alle umgezogen sind und ich aus Sicherheitsgründen gefühlt der halben Mannschaft die Schuhe, inklusive Doppelknoten, gebunden habe, gehen wir geschlossen auf die durch Eltern und Geschwisterkinder gut besuchte Tribüne, um zusammen das erste Spiel des Tages anzuschauen. Über ein Mikrofon erklärt der Veranstalter kurz die Regeln und den Spielmodus. Inklusive unseres Teams sollen 7 verschiedene Mannschaften im Modus jeder gegen jeden spielen, bei 10 Minuten pro Spiel, ohne Seitenaus (also mit Doppelbande), mit jeweils 6 Feldspielern plus Torwart. 6 Feldspielern? Da ich ursprünglich von 5 Feldspielern ausgegangen war, bin ich für ein paar Sekunden leicht irritiert, entschließe mich aber innerlich schon hinten mit Dreier- statt Zweierkette zu beginnen. Erstmal sollte die Null stehen.

Anpfiff! Gespannt verfolgen wir das erste Spiel des Tages, gepfiffen vom gut gelaunten Schulleiter des Hannah-Arendt-Gymnasiums in voller Schiedsrichtermontur. Wie so oft an diesem Tag fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt, in der ich besonders in den Wintermonaten etliche Hallenturniere spielen durfte. Damals hießen meine Gegner zwar Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Borussia Mönchengladbach, während heute auf den Trikots Namen wie Grotenburgschule, Paul-Gerhardt-Schule oder Bismarckschule stehen. Aber auch damals waren die Trikots schwarz, blau oder weiß, auch damals waren wir gegen etablierte Bundesligisten eher Außenseiter und auch damals war ich umgeben von Kindern, deren Mischung aus Nervosität und Freude jeden Winkel der Sporthalle mit Leben füllte.

Noch vor Abpfiff des ersten Spiels fordert uns die Turnierleitung über das Mikrofon auf uns in Richtung Spielfeld zu begeben, damit unser erstes Spiel pünktlich angepfiffen werden kann. Auf dem Gang besprechen wir kurz die Startformation.

Wie bereits erwähnt, sollte erstmal die Null stehen. Ich erkläre den Kindern nochmal, wie wichtig es sein wird, dass alle mit nach hinten arbeiten und besonders in der Abwehr unsere Positionen gehalten werden, damit nicht alle blind, wie im Bambini Jahrgang üblich (und in den ersten Trainingseinheiten zu Beginn der AG oft geschehen), alle auf den Ball stürmen. „Habt Spaß da draußen!“, sage ich noch, bevor wir die Kinder raus in die Halle ins Ungewisse schicken.    

Auf dem Spielfeld angekommen, bilden wir alle geschlossen einen Kreis. Ein lautes: „JOSEF-SCHULE-JOSEF-SCHULE-JOSEF-SCHULE-TEAM“ schallt durch die Halle, bevor alle ihre Positionen einnehmen.

Vor dem Turnier hatten Herr Roumeliotis und ich uns noch gegenseitig versichert, dass wir nicht wie von der Tarantel gestochen in Jürgen Klopp-Manier lauthals schreiend an der Seitenlinie auf und ab rennen wollten. Wir wollten ruhig bleiben, beobachten, bedacht und nach Spielverlauf wechseln, die Kinder einfach machen lassen. Für ungefähr 30 Sekunden, bis zu unserer ersten Chance, ging der Plan auch voll auf. Danach war es allerdings um mich geschehen. Mein Puls schnellte schlagartig in die Höhe, während mein Vokabular schrumpfte und sich auf wenige Begriffe wie: “Abschluss, Bande, Zurück!!!“ minimierte.

Nur zu gern hätte ich mich selbst eingewechselt, um den Kindern zum ersten Treffer zu verhelfen, der uns im ersten Spiel leider nicht vergönnt war. Trotzdem überkam mich nach Abpfiff nur ein Gefühl. Stolz. Euphorisiert lief ich aufs Spielfeld, um alle Kinder abzuklatschen. Wir hatten nicht verloren. Wir hatten kein Tor kassiert und sehr wenige Chancen zugelassen. Da dies unser erstes, richtiges Spiel überhaupt war, konnte man darauf aufbauen.

Die nächsten zwei Spiele verliefen ähnlich. Unsere Abwehr stand sicher und die uns technisch teilweise überlegenden Gegner konnten nur sehr wenig Chancen kreieren, die allesamt von unseren ausgezeichneten Torhüter*innen Evan und Nykole vereitelt werden konnten. Ich musste automatisch an einen alten Fangesang denken: „Eine Mannschaft aus Granit, so wie einst Real Madrid“…

Leider stand aber nicht nur hinten die Null, sondern auch vorne. Trotz mehrfacher Großchancen, bei denen unsere Stürmer allein auf das Tor zuliefen, war uns der erste Treffer des Tages erstmal nicht vergönnt. Verzweifelt und schon leicht heiser fragte ich mich in diesen Momenten an der Seitenlinie, ob wir nicht schon zehn Tore geschossen hätten, wäre die Halle nur halb so groß und die Tore bloß aufgemalt.

Die Wende kam dann im vierten Spiel des Tages gegen den für mich bis dahin stärksten Gegner und späteren Turniersieger, die Paul-Gerhardt-Schule. In Erinnerung an die griechische Nationalmannschaft, die mit einer ähnlich defensiven Spielweise 2004 den Europameister Titel gewinnen konnte, hatten wir zwar keinen Rehakles auf der Bank, aber dafür mit Herrn Roumeliotis einen waschechten griechischen Trainerfuchs. Ihm war während der ersten Spiele aufgefallen, dass die Kinder, aufgrund von Magnesiumresten auf dem Hallenboden, kaum Halt hatten und deshalb teilweise, wie Hundewelpen auf der Eisbahn, hin und her schlitterten. Um uns gegen den Haushohen Favoriten einen kleinen Vorteil zu verschaffen, versammelten wir uns also vor Spielbeginn vor der Toilette, um die Sohlen der Spieler mit nassen Tüchern etwas rutschsicherer zu machen.

Und der Plan sollte aufgehen. Auch in diesem Spiel ließen wir kaum Chancen zu, wobei vorne zunächst noch das Quäntchen Glück fehlte, um endlich unser erstes Tor zu schießen. Nachdem unser Stürmer Gui allerdings wieder eine hochkarätige Großchance liegen gelassen hatte und ich mich in diesem Moment verzweifelt vom Spielgeschehen abwendete, um meinen Kopf in meinen Händen zu vergraben, hörte ich einen lauten, mir bekannten Jubelschrei! Was war passiert? Auch Gui hatte sich kurz vom Spielgeschehen abgewandt, dabei allerdings seine Position vorm gegnerischen Strafraum gehalten. Dem bis dahin fehlerfreien Torhüter des Gegners missglückte im nächsten Moment der Abstoß, sodass Guis Rücken getroffen wurde und der Ball darauf ins Tor kullerte!

Endlich! 1:0! Das erste Tor des Tages, und dass gegen so eine starke Mannschaft! In den nächsten Minuten konnten alle gegnerischen Angriffe mit vereinten Kräften vereitelt werde, sodass wir endlich unseren ersten Sieg verbuchen konnten. Spätestens jetzt brachen alle Dämme und das ganze Team lag sich in den Armen. Manchmal muss das Glück einfach erzwungen werden.

Für mich war schon nach diesem Spiel das Turnier ein voller Erfolg. In den nächsten zwei Partien gelang uns noch ein relativ glücklicher 1:0 Sieg (Torschütze wieder unser Gui) gegen einen aufopfernd-kämpfenden jüngeren Jahrgang der Mariannenschule und ein weiteres 0:0 gegen die starke 1. Mannschaft der Grotenburgschule.

Insgesamt konnte uns also kein Team bezwingen, ja nicht mal ein einziges Gegentor mussten wir hinnehmen. Nach insgesamt zwei Siegen, zwei geschossenen Toren und vier torlosen Unentschieden landeten wir schließlich auf Platz 4. In Anbetracht aller Umstände ein mehr als respektables Ergebnis, auf das die Kinder sehr stolz sein können!

An diesem Tag gab es bestimmt einige Mannschaften, die schöneren Fußball als wir zeigten. Einige Mannschaften hatten wahrscheinlich auch die talentierteren und erfahreneren Spieler in ihren Reihen und haben deswegen auch mehr Tore geschossen und mehr Punkte gesammelt. Und trotz alldem konnte uns keine andere Mannschaft besiegen. Auch wenn wir nicht so wie Griechenland 2004 am Ende den Titel holen konnte, so zeigte uns dieser Tag doch erneut, dass bedingungsloser Einsatz und Teamgeist mitunter die wichtigsten Tugenden im Mannschaftssport sind.

Um mit den Worten eines berühmten Fußballers diesen kleinen Bericht abzuschließen:

Talent ohne harte Arbeit bedeutet gar nichts!“ – Christiano Ronaldo

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